Elaine V

erstellt von Sebastian Schuster zuletzt verändert: 09.11.2014 19:12

Elaine sah nichts und hörte nichts für einige Sekunden. Die Stille wurde zerschnitten von Michaels Stimme in ihren Ohren.
„OK, Elaine. Entspann Dich. Lass Deine Gedanken leer und mach Deinen Kopf auf. Bist Du bereit für den Videofeed?“ Erst als sie einen tiefen Atemzug aus ihren Lungen entließ, merkte sie, wie angespannt sie war.
„Einen Moment noch.“

Über die Nanoschnittstelle, die an ihren Sehnerv angebracht war, konnte sie jegliches bildliche Signal empfangen, das vorher entsprechend kompatibel aufbereitet wurde und an die Schnittstelle an ihren Schläfen übertragen wurde. Kompatibel musste das Bildmaterial dabei nur aus technischer Sicht sein. Logisch schienen keine Grenzen gesetzt zu sein, was das menschliche Gehirn verarbeiten konnte. Schwedische Wissenschaftler hatten das in den 50er Jahren herausgefunden. Die ersten Versuche waren zaghaft. Die Wissenschaftler waren wahrscheinlich froh, dass es überhaupt funktionierte ein externes Signal an einen menschlichen Sehnerv zu übertragen. Nachdem die ersten Testkandidaten konsistent stabile Ergebnisse erzielt hatten, hatte man mit wilderen Experimenten begonnen: Blitz-Impulse mit hypnotischer Wirkung, Falschfarben, gezielte Eliminierung von Informationen und schließlich multiperspektivische Inputs. Solange es einen Sinn und Zusammenhang zwischen den Inputs gab, fügte das Gehirn die Inputs irgendwie zu einem Bild zusammen, das für den Piloten Sinn ergab. Wie exakt das resultierende Bild aussah, konnte Elaine auch nach tausend Stunden Simulation und Live-Feed anderer Operationen nicht beschreiben. Den Gesprächen mit Kollegen nach zu urteilen war der Eindruck für jeden Piloten auch anders. Für Freunde, die keine Piloten waren, war ein nicht zusammenhängender Videofeed unvorstellbar. Sie hingegem fand es unvorstellbar, einen Zauberwürfel mit geschlossenen Augen zu lösen. Wenn man sich nur lang genug mit etwas auseinander setzt, findet das Gehirn schon eine Möglichkeit, eine Bild davon zu erstellen – egal wie der Input aussah. Wichtig war nur, dass man seinem eigenen Gehirn die Möglichkeit einräumte, einen Input zu verarbeiten, der anders war als alles andere, was er kannte. Wenn das Gehirn ein zweidimensionales Bild erwartete und ein zehndimensionales Bild bekam, reagierte es unvorhergesehen. Auch das haben die Schweden herausgefunden. Elaine atmete langsam und sehr tief aus.
„OK, Michael. Bereit für Video.“

Zu diesem Beitrag gibt es 24578 Kommentare. Wie hat Dir der Schnipsel gefallen?

Kommentieren

Sie können einen Kommentar abgeben, indem Sie das untenstehende Formular ausfüllen. Sie können die Markdown-Syntax für Links und Bilder benutzen.

Frage: In welcher Sprache sind die Texte des Projektes Giesing2060 verfasst?
Ergebnis: