Das stabilste System

"Guck mal, da ist Fabrizio!"

Sandra winkte in Richtung Eingang. Gravity dreht den Kopf und nickte Fabrizio kurz zu, Er winkte zurück, steuerte aber erst mal zu Ernö an die Bar. "Sag mal, hat der Kerl schon wieder ein neues Hemd an? Und billig sieht das auch nicht aus."

Sandra verdreht die Augen. Kann irgendjemand ihm mal sagen, ass er nicht so klischee-schwul sein soll? Das wird irgendwann unglaubwürdig.!

Es war [TBD]-Night im Freiraum. "TBD" stand in diesem Fall für "to be drunk". Anders als sonst kam der Abend aber nur langsam in Fahrt. Sandra schien das aber nicht zu bemerken, und sie plapperte wie immer fröhlich weiter.

"Andrew ist noch gar nicht da. Meinst du, er hat wieder irgend ein superwichtiges Projekt? Ach, aber da drüben ist Mustafa. Den hab ich hier schon eine Weile nicht mehr gesehen. Mustafa ist schon echt maximal integriert, oder? Wenn die Hautfarbe nicht wäre würde man gar nichts merken."

"Das ist aber eine komische Verwendung von 'integriert'. Bedeutet 'Integration' für dich, dass man jemanden nicht mehr bemerkt?"

"Naja", sagte Sandra etwas defensiv. "Wenn jemand nicht integriert ist, dann sieht man ja schon auf den ersten Blick, dass er nicht von hier ist."

"Das heißt aber nicht, dass der Umkehrschluss auch gilt.", erwiderte Gravity schulterzuckend. "Wenn du mit Software arbeitest und ein neues Modul integrierst, dann ist das Ziel auch nicht, dass du von dem Modul nichts mehr bemerkst. Im Gegenteil, du willst, dass das Modul am Ende noch möglichst vollständig verfügbar ist, mit allen seinen Funktionen und Besonderheiten. Du willst natürlich nicht, dass das existierende System zusammen bricht. Aber du willst auch, dass das System etwas tut. Das stabilste System ist das, das die ganze Zeit im Leerlauf ist. Aber das bringt niemandem was. Du brauchst die einzelnen Module und ihre Funktionen, und du willst, dass sie möglichst gut miteinander kommunizieren. Wenn ein altes Modul eine Nachricht schickt und das neue Modul versteht sie und antwortet, und beide arbeiten zusammen, und das neue Modul trägt etwas zu dieser Arbeit bei, dann war deine Integration erfolgreich. Und so ist es doch auch in der Gesellschaft."

Sandra sah sie kurz nachdenklich an. "Na gut", sagte sie nachdenklich. "Vielleicht ist 'assimiliert' der bessere Begriff bei Mustafa."