Zur Gartentür, Soldat

erstellt von Manuel Reinhardt zuletzt verändert: 04.07.2018 13:11

"Was ist mit dem Blonden da am Grill?" fragte Andrew.

TJ sah ihn übertrieben entsetzt an. "Ernsthaft?"

"Wieso, gefällt Dir sein Jackett nicht?" grinste Andrew.

"Ähm. Nein, nicht wirklich. Der studiert doch wahrscheinlich seit hundert Semestern und ist noch dazu in irgendeiner Studentenverbindung."

Andrew seufzte gespielt. "Du bist aber auch echt anspruchsvoll."

"Können wir jetzt das Casting für TJs neuen Freund vorerst einstellen?"

"Also gut. Soll ich uns noch zwei Bier holen?" schlug Andrew vor.

TJ hatte ihn zur Geburtstagsfeier eines Bekannten mitgenommen. Sie war erst nicht sicher gewesen, ob sie überhaupt gehen sollte, weil sie kaum jemanden von den Gästen kannte, aber nachdem Andrew nichts anderes vor gehabt hatte, hatten sie beschlossen, zusammen hin zu gehen. Inzwischen fragte sich Andrew, ob das so eine gute Idee gewesen war. Das Interessanteste hier war, dass das Bier umsonst war.

"Nee, lass mal." TJ vollführte ein paar wischende Handbewegungen und murmelte etwas unverständliches, dann verkündete sie: "Es ist ein Cache in der Nähe. Bewegen Sie sich unauffällig zur Gartentür, Soldat."

Andrew zuckte mit den Schultern und tat, wie ihm geheißen. Kaum jemand sah auf als sie zusammen den Garten verließen. "Links", kommandierte TJ, und Andrew beeilte sich, um Schritt zu halten.

Vor ein paar Wochen hatte er TJ zu einer Runde Windfall überredet, und seitdem hatte sie mehr Caches eingenommen als er. Wenn es so weiter ging würde sie ihn bald im Ranking überholt haben. Besonderen Ehrgeiz hatte Andrew bei Windfall eigentlich nie an den Tag gelegt, aber TJ in ihre Schranken zu weisen wäre eigentlich ein guter Anlass, wieder öfter zu spielen.

"Rechts", sagte TJ, und wenig später stoppte sie vor einem zweistöckigen Haus, das allem Anschein nach unbewohnt war. Der Garten war weitgehend verwildert, die Hecke quoll über den Zaun auf den Bürgersteig, und da wo wohl mal ein Weg zur Haustür gewesen war sah man nur Gräser und wuchernde Brombeeren. Der Putz war zwar noch größtenteils an den Wänden, doch viel schien ihn dort nicht mehr zu halten. Das Haus war groß, es musste bestimmt sechs oder sieben Zimmer haben, das Dachgeschoss nicht mit gerechnet.

TJ schob die Gartentür auf. Sie protestierte mit einem gedämpften Quietschen.

"Warte mal", wandte Andrew ein, unwillkürlich etwas leiser sprechend. "Das ist es? Gehen wir da einfach so rein?"

"Das ist es und wir gehen rein", sagte TJ mit fester Stimme, immer noch den Feldwebel spielend.

"Das ist bestimmt Hausfriedensbruch", murmelte Andrew.

TJ rollte die Augen. "Der Cache ist da drin, das heißt da waren schon etliche andere drin, und überhaupt, das wird schon OK sein."

Ohne eine weitere Antwort abzuwarten marschierte sie in den Garten und durch das hohe Gras auf die Haustür zu. Nach kurzem Zögern folgte ihr Andrew, obwohl ihm nicht so ganz wohl bei der Sache war.

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