Auf die Plätze

Adriana war wie elektrisiert. Das Kapitel war noch nicht zu Ende, sie hatte nur im falschen Buch gelesen. Der Song ging nach einer Generalpause in eine furiose Steigerung über. Der Wandschrank war in Wirklichkeit ein Tor in eine andere Welt.

Es war wieder jemand da gewesen. Die Zigarettenkippen waren weg. Aber der weiße Zettel war nicht angerührt. Warum? Wie? Was hatte sich der geheimnisvolle Besucher dabei gedacht? Sollte das eine Art Spiel werden? Ich weiß, dass es dich gibt, aber ich tue nicht, was du erwartest? Oder hatte er nur aufgeräumt und den Zettel übersehen? Das war fast unmöglich, so nahe wie der Zettel an den Kippen gelegen hatte. Dann vielleicht nicht übersehen, aber als Nachricht an jemand anderen interpretiert und liegen gelassen?

Oder wenn es doch ein Spiel war, spielten sie dann als gleich gestellte Spieler? Oder wusste ihr Gegner Bescheid über sie, spionierte ihr vielleicht sogar nach, und hatte dies alles seit Monaten akribisch geplant, um... ja, wozu? Wenn er ihr auflauert wollte hätte er das schon lange tun können. Wollte er sie verwirren? Dann hatte er, zugegeben, alles richtig gemacht.

Adriana atmete tief durch und versuchte, noch einmal in Ruhe die Lage zu überdenken. Ihre Halle, ihr Zufluchtsort, war zu etwas anderem geworden. Daran gab es kein Rütteln mehr. Sie konnte nicht mehr hier her kommen und so tun, als wäre nichts gewesen. Wenn das so war, dann konnte sie aber genau so gut die Veränderung annehmen und etwas Positives daraus machen. Sie konnte die Situation in die Hand nehmen. Wen interessierte es, was der Unbekannte bezwecken wollte? Wenn Adriana entschied, dass es ein Spiel werden würde, dann würde es ein Spiel werden. Und genau das tat sie jetzt.

Adriana lächelte, als sie sich eine allerletzte Zigarette anzündete. Sie hatte die Halle gemocht, als das, was sie für sie bis vor kurzem gewesen war. Aber wahrscheinlich konnte sie sich auch mit dem neuen Ich der Halle anfreunden.

Eine Zigarette lang saß sie noch da, und es stellte sich doch wieder eine gewisse Ruhe ein, wenn auch eine spezielle Art der Ruhe, getränkt von Erwartung, vielleicht sogar Vorfreude. Eine Ruhe vor dem Sturm. Als die Zigarette herunter gebrannt war verließ Adriana das Spielfeld.